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Höhensauerstoff: Ab wann Piloten zusätzlichen Sauerstoff brauchen

Fliegen in größerer Höhe bringt einige Vorteile. Doch die Gefahren eines Sauerstoffmangels müssen ernst genommen werden. Die richtige Ausrüstung hilft.

Von Isabella Sauer
Bis 18.000 Fuß sind Kanülen (rechts) ausreichend und relativ bequem. Die gezeigte Oximyzer-Kanüle spart Sauerstoff, weil sie beim Ausatmen Luft im schnurrbartförmigen Reservoir speichert und beim Einatmen wieder abgibt. Eine Maske (links) ist spätestens ab 18.000 Fuß vorgeschrieben. Sie ist beim Tragen sehr unbequem. Die gezeigte Version mit eingebautem Mikrofon ist recht teuer, günstiger sind Masken ohne Mikro. Bild: Christina Scheunemann

Wer bei klarer Sicht über den Wolken unterwegs ist, genießt Ruhe und Geschwindigkeit. Doch in größeren Flughöhen verändert sich nicht nur die Performance des Flugzeugs, sondern auch die des Körpers. Der Luftdruck sinkt, der Sauerstoffanteil pro Atemzug nimmt ab – mit spürbaren Folgen für Konzentration, Sehvermögen und Reaktionszeit.

Wir klären: Ab welcher Höhe brauchen Piloten zusätzlichen Sauerstoff – und warum?

Leistungseinbruch in der Höhe

Mit zunehmender Höhe wird die Luft dünner. Der Sauerstoffanteil in der Luft bleibt zwar konstant bei rund 21 Prozent, aber pro Liter Atemluft nimmt die verfügbare Sauerstoffmenge ab.

Bei etwa 18.000 Fuß beträgt der Luftdruck nur noch die Hälfte des Werts auf Meereshöhe – entsprechend steht dem Körper auch nur die Hälfte des Sauerstoffs zur Verfügung.

Die Folge: Organe werden schlechter versorgt, die Leistungsfähigkeit sinkt. Besonders das Gehirn und die Augen reagieren empfindlich auf den Mangel. Zwar kann der Körper Defizite kurzfristig ausgleichen, doch mit zunehmender Höhe und Flugdauer stoßen seine Kompensationsmechanismen an Grenzen.

EASA-Vorgaben: Ab wann ist Sauerstoff Pflicht?

Nach EASA NCO.OP.190 gilt für nichtgewerbliche Flüge:

  • Bei Flügen über 10.000 Fuß MSL länger als 30 Minuten muss die Crew mit Sauerstoff versorgt werden.
  • Über 13.000 Fuß MSL ist Sauerstoff ab der ersten Minute für alle an Bord vorgeschrieben.

Auch unterhalb dieser Grenzen kann die Sauerstoffsättigung des Bluts sinken, insbesondere bei Nachtflügen. Das liegt daran, dass der Aufbau des Sehpurpurs in der Dunkelheit zusätzlichen Sauerstoff benötigt – wer auf einem nächtlichen Flug in 5.000 Fuß eine „Sauerstoffdusche“ ausprobiert, erkennt am Boden plötzlich deutlich mehr Lichter.

Erste Symptome von Sauerstoffmangel

Sauerstoffmangel (Hypoxie) macht sich schleichend bemerkbar – und wird oft nicht als solcher erkannt.

Typische erste Anzeichen:

  • eingeschränktes Sehvermögen
  • Kopfschmerzen, Schwindel, Kribbeln in Fingern oder Zehen
  • undeutliche Sprache, Müdigkeit, Euphoriegefühl

Atemnot tritt dagegen nicht auf – sie ist kein verlässliches Warnsignal. Der Grund: Atemnot entsteht durch zu viel Kohlendioxid, nicht durch Sauerstoffmangel.

Wie viel Zeit bleibt? – Die „Time of Useful Consciousness“

Bei einem plötzlichen Ausfall der Sauerstoffversorgung in großer Höhe bleibt nur wenig Zeit, um zu reagieren. Diese sogenannte Time of Useful Consciousness (TUC) liegt:

  • bei 25.000 Fuß bei nur 3 bis 5 Minuten,
  • bei 18.000 Fuß noch bei rund 30 Minuten.

Moderne Avioniksysteme, etwa in der Cirrus SR22T oder vergleichbaren Flugzeugen, überwachen die Aktivität im Cockpit. Erfolgt über einen bestimmten Zeitraum keine Eingabe, startet das System einen akustischen Alarm und leitet automatisch einen Notabstieg auf 12.000 Fuß ein.

Fingerzeig: Puls und Sauerstoffgehalt lassen sich preisgünstig am Zeigefinger messen.Fingerzeig: Puls und Sauerstoffgehalt lassen sich preisgünstig am Zeigefinger messen.
Fingerzeig: Puls und Sauerstoffgehalt lassen sich preisgünstig am Zeigefinger messen.
Bild: Frank Herzog

Welche Sauerstoffsysteme im Cockpit gibt es?

Für Privatpiloten stehen mehrere Optionen zur Verfügung:

1. Festeinbauanlagen:
Ideal für häufige Flüge in größeren Höhen, aber teuer in Anschaffung und Wartung. Das zusätzliche Gewicht ist bei kleineren Flugzeugen ein Nachteil.

2. Portable Systeme:
Einwegflaschen wie Boost Oxygen (ca. 20 Euro) oder kleine tragbare Systeme für eine Person (200 bis 300 Euro) sind praxistauglich für gelegentliche Flüge über 8.000 Fuß oder bei Nacht.
Mit Oximyzer-Nasenkanülen lässt sich Sauerstoff komfortabel zuführen – sie sind bis 18.000 Fuß ausreichend und erlauben gleichzeitig Kommunikation und Nahrungsaufnahme.

Alles komplett - Der US-Hersteller bietet portable Sauerstoffanlagen für zwei oder mehr Personen mit Flasche, Tragetasche und On-Demand-System an. Wichtig: Die Anschlüsse für die Flaschenbefüllung in den USA und in Europa sind unterschiedlich.Alles komplett - Der US-Hersteller bietet portable Sauerstoffanlagen für zwei oder mehr Personen mit Flasche, Tragetasche und On-Demand-System an. Wichtig: Die Anschlüsse für die Flaschenbefüllung in den USA und in Europa sind unterschiedlich.
Alles komplett – Der US-Hersteller Mountain High bietet portable Sauerstoffanlagen für zwei oder mehr Personen mit Flasche, Tragetasche und On-Demand-System an. Wichtig: Die Anschlüsse für die Flaschenbefüllung in den USA und in Europa sind unterschiedlich. Bild: Mountain High

3. On-Demand-Regler:
Sie geben Sauerstoff nur beim Einatmen ab („on demand“), was Verbrauch und Austrocknung der Schleimhäute reduziert. Systeme für zwei Personen kosten zwischen 1000 und 1500 Euro.

Nur beim Einatmen: Das On-Demand-System O2D2 von Mountain High versorgt zwei Personen. Es spart Sauerstoff, indem es eine Dosis als Puls im Moment des Einatmens abgibt.Nur beim Einatmen: Das On-Demand-System O2D2 von Mountain High versorgt zwei Personen. Es spart Sauerstoff, indem es eine Dosis als Puls im Moment des Einatmens abgibt.
Nur beim Einatmen: Das On-Demand-System O2D2 von Mountain High versorgt zwei Personen. Es spart Sauerstoff, indem es eine Dosis als Puls im Moment des Einatmens abgibt.
Bild: Mountain High

4. Sauerstoffkonzentratoren:
Geräte wie das von Aithre gewinnen Sauerstoff direkt aus der Kabinenluft. Sie liefern bis zu 93 Prozent reinen Sauerstoff, sind aber mit über 3000 Euro teuer und benötigen eine Stromversorgung. Eine Flasche als Backup bleibt empfehlenswert.

Konzentrator - Das Gerät von Aithre verdichtet die Umgebungsluft und entzieht ihr den Sauerstoff. Das braucht relativ viel Bordstrom, ermöglicht aber einen unbegrenzten Vorrat an Sauerstoff für zwei Personen bis 18.000 Fuß.Konzentrator - Das Gerät von Aithre verdichtet die Umgebungsluft und entzieht ihr den Sauerstoff. Das braucht relativ viel Bordstrom, ermöglicht aber einen unbegrenzten Vorrat an Sauerstoff für zwei Personen bis 18.000 Fuß.
Konzentrator – Das Gerät von Aithre verdichtet die Umgebungsluft und entzieht ihr den Sauerstoff. Das braucht relativ viel Bordstrom, ermöglicht aber einen unbegrenzten Vorrat an Sauerstoff für zwei Personen bis 18.000 Fuß.
Bild: Thomas Borchert

Sauerstoffsättigung überwachen

Da Hypoxie oft unbemerkt bleibt, sollten Piloten den eigenen Sauerstoffgehalt regelmäßig kontrollieren. Ein Finger-Oximeter zeigt die Sauerstoffsättigung im Blut an:

  • Normalwert: 95–98 Prozent
  • Handlungsbedarf: unter 90 Prozent

Viele Garmin- und Apple-Smartwatches verfügen inzwischen über Sensoren, die den Wert automatisch messen und Alarm schlagen können.

95 Prozent: Die Pilotenuhren von Garmin können den Sauerstoffgehalt im Blut am Handgelenk messen.95 Prozent: Die Pilotenuhren von Garmin können den Sauerstoffgehalt im Blut am Handgelenk messen.
95 Prozent: Die Pilotenuhren von Garmin können den Sauerstoffgehalt im Blut am Handgelenk messen.
Bild: Sina Schunk

Sicher fliegen mit zusätzlichem Sauerstoff

Sauerstoff ist ab Höhen über 10.000 Fuß nicht nur sinnvoll, sondern sicherheitsrelevant – besonders bei Nachtflügen, Alpenüberquerungen oder langen Strecken über Wasser. Wichtig: Sauerstoff ist hochentzündlich und gilt beim Transport als Gefahrgut. Beim Gebrauch sollte das Gesicht fettfrei bleiben, um Hautreizungen und Entzündungsrisiken zu vermeiden.

Druckkabinenflugzeuge wie die Piper PA-46 Malibu oder Cessna 210 Centurion bieten zwar mehr Komfort, sind aber ebenfalls mit Notfallsauerstoff ausgerüstet. Wer in größere Höhen aufsteigt, sollte sich immer bewusst sein: Nur mit zusätzlichem Sauerstoff bleibt man dort oben fit for flight.

Mitautor: Helmuth Lage

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Über den Autor
Isabella Sauer

Isabella Sauer ist Jahrgang 1991, studierte in Bamberg Kommunikationswissenschaft und absolvierte anschließend ein Volontariat bei Auto Bild. Seit ihrer Jugend ist sie journalistisch tätig und arbeitete für große Verlagshäuser, darunter Axel Springer und die Funke Mediengruppe. Print, Digital, Social Media - für Isabella hat jeder Inhalt das Potenzial, vielfältig aufbereitet zu werden. Und wie kam sie zum fliegermagazin? Das Thema Mobilität interessierte sie immer schon sehr. Ob Auto, Bahn, Camper, Airliner oder Fahrrad: Die Welt lässt sich aus vielen Perspektiven entdecken. Nun geht es für Isabella Sauer in die Luft. Seit Mai 2025 hat sie eine Privatpilotenlizenz (PPL).

Schlagwörter
  • Sauerstoff
  • Reiseflughöhe
  • Sauerstoffmaske
  • Sauerstoffsystem